|
Angela Merkel
Liebe Freundin, sehr geehrter Leser,
kürzlich mischte sich ein Psychoanalytiker in die tagespolitische Diskussion ein. Herr Hans-Joachim Maaz diagnostizierte bei Frau Merkel eine narzisstische Grundproblematik. Ihr Verhalten sei irrational, habe den Bezug zur Realität verloren. Besonders gefährlich sei die Unkorrigierbarkeit, die sie zeige.
Der Mutterreflex
Ich, liebe Freundin, beurteile Frau Merkel aus Sicht meiner Persönlichkeitslehre – die übrigens auch auf dem Boden einer psychoanalytischen Weiterbildung steht – ganz anders.
Ihr: "Wir schaffen das!" ist aus meiner Sicht ein Durchbruch normaler weiblicher Triebwünsche, die bei Frau Merkel wohl eher unterentwickelt sind. Jede Frau, selbst kinderlos gebliebene alternde Ehefrauen - wie unsere Kanzlerin - hat angeborene Mutterinstinkte. Die Auswirkungen dieses Instinktverhaltens habe ich beispielsweise in meiner Kurzgeschichte "Damenwahl" einmal geschildert. Beim Anblick eines Kleinkindes, besonders wenn dieses hungert, wie manche Flüchtlingskinder, meldet sich aufgrund dieses genetisch programmierten Mutterverhaltens der Wunsch, diesem Kind zu helfen, ihm die Brust zu geben bzw. es zu versorgen. Wenn keine Milch mehr fließt, muss das Kind – und andere hilfesuchende und hungernde Wesen, wie eben die Flüchtlinge, die zu uns kommen – versorgt werden. Das ist ein biologisch angelegter mütterlicher Reflex.
Der Durchbruch des weiblichen Versorgungstriebes
Dieser Mutterreflex wird von sexuell gehemmten Frauen unterdrückt. Er wird verdrängt, ins Unbewusste abgewehrt. Wie Sigmund Freud uns lehrt, entfaltet das Verdrängte aber weiterhin Kräfte, die im Unbewussten wirken. Nur die ständig vorhandene Zensur (ein Teil des Ichs), verhindert, dass diese Kräfte das Verhalten bestimmen. Ja sie werden nicht einmal in Form von Vorstellungen bewusst. Das heißt nun aber nicht, liebe Freundin, dass diese Triebkräfte ein für allemal beseitigt wären. In besonderen Versuchungssituationen (Harald Schultz-Hencke) können sie durchbrechen. Und aus meiner Sicht war es eine derartige Versuchungssituation für mütterliche Ernährungswünsche, in der Frau Merkel ihr "Wir schaffen das!" herausgerutscht ist. Man könnte ihr lediglich den Vorwurf machen, dass ihre Selbstbeherrschung einmal kurzfristig versagt hat.
Der Satz
Der Satz: "Wir schaffen das." ist - genau genommen - völlig unbestimmt. Unklar ist erstens das Subjekt. Wer ist "wir"? Frau Merkel wollte das später verstanden wissen als "Europa". Die Flüchtlinge sollen nach einem Schlüssel in Europa verteilt werden. Dann hätte sie das, wenn es so gemeint gewesen wäre, über den Kopf anderer Staaten hinweg gesagt und darf sich nicht wundern, wenn diese sich diese Entmündigung nicht gefallen lassen. Gemeint hat sie das wohl auch nicht, sie meinte in dem Moment Deutschland. Zweitens ist auch das Objekt unklar: "das". Was ist denn das, was wir schaffen? Frau Merkel hätte auch noch später präzisieren können: "das" ist die Integration der Flüchtlinge, die bisher Deutschland erreicht haben. Nun hat sie so eine – oder eine andere – Präzisierung nicht vorgenommen. Deshalb kann man ihr mit Fug und Recht unterstellen, sie meinte alle Flüchtlinge – und das hat sie wohl auch. "Alle", das sind eben nicht nur diejenigen, die Asyl erhalten können, sondern auch Wirtschaftsflüchtlinge, die sich in Deutschland ein besseres Leben als in ihrer Heimat versprechen.
Meines Erachtens war dieser Satz auch genau so gemeint, wie er verstanden wurde, nämlich, dass Deutschland die Versorgung aller Flüchtlinge leisten könne. Er wurde von allen Personen, die in ihrer Heimat keine Arbeit finden, Not leiden und hungern, von allen, mit denen eine psychisch gesunde Frau Mitleid empfindet, so verstanden, dass sie in Deutschland willkommen seien - und nicht nur von Kriegsflüchtlingen.
Die Glaubwürdigkeit
Und so, wie ihr Satz in aller Welt verstanden wurde, war er auch gemeint.
Dass Frau Merkel nicht so einfach wieder zurückrudern konnte und sagen konnte, dass ihr dieser Satz versehentlich herausgerutscht ist, liegt meines Erachtens auch nicht an einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit, wie Herr Maaz meint, sondern an ihrem Glaubwürdigkeitsanspruch. Wer glaubwürdig sein möchte, wie beispielsweise unsere Kanzlerin, kann natürlich nicht heute hü und morgen hott sagen. Diese Eigenschaft (die Glaubwürdigkeit), die Politikern im Allgemeinen fehlt, die vor der Wahl dem Wählervolk alles versprechen und nach der Wahl sich nicht mehr darum kümmern, hat sie unter anderem an die Macht gebracht. Ihre Glaubwürdigkeit ist ihr großes Plus. Das ist ihr auch bewusst. Nun wurde ihr das leider zum Verhängnis – oder: es könnte ihr zum Verhängnis werden. Da müssen wir mal abwarten, wie sich die Zukunft entwickelt.
Die Zukunft
Als Gesellschaftsanalytiker, sehr geehrter Leser, kann ich zwar die Gegenwart analysieren, ja ich kann sogar - wie Sie meinen Veröffentlichungen entnehmen können - in weite Ferne blicken und langfristige Entwicklungen abschätzen. Was aber morgen passiert, weiß ich nicht. Da habe ich das gleiche Problem, das andere Wissenschaftler mit dem Wasser haben: sie können uns zwar sagen, dass Wasser immer bergab fließt. Sie sind aber überfordert, wenn sie die Frage beantworten sollten, wo sich ein bestimmtes Wassermolekül morgen befindet.
Also lassen wir uns nicht kirre machen von den politischen Tagesereignissen, sondern trinken wir lieber gemütlich eine Tasse guten Kaffee und entspannen uns.
Ihr Rudi Zimmerman, Gesellschaftsanalytiker, Berlin, 29.1.2016
Nachtrag: Frau Merkel hat kürzlich verkündet, sich noch einmal zur Wahl zu stellen. Herr Maaz betrachtet das als Bestätigung seiner These, sie wäre narzisstisch (bei Anne Will so geäußert). Mir scheint er unrecht zu haben: Frau Merkel ist in meinen Augen eine verhinderte Mutter (s.o.), die die Nation als ihr Ersatzkind betrachtet. Sie kann nun mal nicht anders und muss ihr “Kind” weiter bemuttern. Deshalb stellt sie sich noch einmal zur Wahl. Rudi am 21.11.2016 |